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Notizen: Temuco

von Michael Palomino (2010 / 2011)

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Erster Aufenthalt im Februar 2010 ("Sommer")

Mitte Februar 2010 war ich mehrere Tage in Temuco, gemäss einer Strassenkarte 674 km südlich von Santiago. Temuco ist heute quasi die Hauptstadt der Mapuche-Ureinwohner, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. alle dorthin deportiert wurden, bzw. sie bekamen dort in der Region zwischen Temuco und dem Pazifik weniger wertvolles Land zugeteilt, weil die weissen Einwohner alle das wertvolle Land an den vielen Seen von Süd-Chile erhielten.


Die Ankunft in Temuco mit dem Reisebus

Die Autobahn war damals absolut gut ausgebaut - es war noch die Zeit vor dem grossen Erdbeben von 2010. Der nationale Busterminal von Temuco ("terminal nacional") aber ist sehr abgelegen in einem Aussenbezirk der Stadt und hat nicht einmal ein Internetcafé. Schade, da könnte man noch viel machen, und die wartenden Kunden würden gerne etwas tun, statt stundenlang herumzusitzen, denn in der Nachbarschaft des Busterminals war kaum ein Internet zu finden.

Relativ viel Veloverkehr in Temuco

In Temuco fahren relativ viele Leute Velo bzw. Fahrrad, und es gibt ausgezeichnete Velogeschäfte (Fahrradgeschäfte) in Temuco mit allen Ersatzteilen auf europäischem Niveau, inkl. mit modernen Zahnkränzen etc. Ein Mountain Bike MTB war in einem Velofachgeschäft in Temuco z.B. für 80.000 Pesos im Angebot, also für ca. 160 Franken / "US"-Dollar.

Velowege werden auch als Lastenwege für Schubkarren genutzt. Velofahren auf dem Veloweg gegen die Fahrtrichtung ist in Temuco normal.

Auch in Chile fehlt das praktische 3-Gang-Velo, und die Lastenvelos haben keine Gangschaltung. Es ist ein Jammer.

Mototaxis fehlen in Temuco, und das ist sehr angenehm, dass es keine Mototaxis gibt. Es fehlt auch jeglicher Hupterror, wiederum sehr angenehm.

Taxis in Temuco

Die Taxifahrer in Temuco sind sehr anständig. Manchmal fehlt aber ein Taximeter.

Bahnhof ist in Temuco vorhanden - aber Zugverkehr ist in Temuco kaum vorhanden - Lokomotivenmuseum von Temuco

Temuco hat einen Bahnhof, der aber schon im Jahre 2010 noch vor dem Erdbeben kaum genutzt wurde, weil angeblich die Strecke zwischen Chillán und Temuco unterbrochen war. Inoffiziell hiess es aber immer, dass der Eisenbahn von Chile schlichtweg Bahnwagen fehlen, weil man Occasions-Bahnwagen aus Spanien eingekauft hat, die immer defekter sind, und so bleiben kaum noch funktionierende Eisenbahnwagen übrig. Die einzige bediente Eisenbahnstrecke von Temuco aus war die Bahnstrecke von Temuco nach Victoria, die ca. 2 mal pro Tag bedient wurde. Das heisst, der Hauptbahnhof von Temuco wies eigentlich fast den ganzen Tag über eine absolute Leere auf. Es ist ein Jammer, wirklich! Aber der chilenischen Regierung ist es egal, wenn das Bahnsystem nicht gepflegt wird, denn Pinochet hat 20 Jahre lang das Bahnsystem nicht gepflegt, sondern die Pinochet-Strategen haben die Autobahnen ausgebaut und ein Bussystem eingerichtet und die Bahn links liegengelassen. Nun liegt die Bahn also meistens links, bzw. es gibt kaum noch Personenzüge in Chile, obwohl ein riesiges Schienennetz vorhanden ist und viele Güterzüge fahren.

Nun, statt die Eisenbahn zu modernisieren oder eine eigene Metallwerkstätte mit einer Zugproduktion aufzubauen, stellen die Verantwortlichen die alten Lokomotiven lieber ins Lokomotivenmuseum in Temuco und blockieren somit das Lokomotivdepot. Die alten Lokomotiven in Temuco sind wirklich sehenswert, und es sind auch Triebwagen aus den 1960er Jahren zu sehen. Aber Chile hat es nie fertiggebracht - obwohl Chile und Peru praktisch über alle Metalle verfügen - eine eigene Zugfabrikation aufzubauen. Immer wurden alte Züge aus Europa importiert, und bei den alten Dampflokomotiven im Museum handelt es sich vor allem um "amerikanische" Modelle aus den "USA". Es ist ein Jammer. Die Regierungen von Chile hielten es nie für notwendig, eigene Züge zu produzieren. Dabei wäre das doch gar nicht so schwer - aber die chilenischen Regierungen wollen das nicht. Chilenische Autos gibt es auch nicht, obwohl die Kompetenz dazu sicher vorhanden wäre.

Der Markt in Temuco

Im Bahnhofsquartier ("barrio Estación") ist auch der grosse Markt ("mercado grande"). Die Stadt hat einen riesigen Markt. Wenn man fragt, dann haben die Leute in Temuco ein totales Chaos zwischen den Begriffen "feria" und "mercado", die beide "Markt" bedeuten. Aber die "feria" ist der Markt für Kunsthandwerk im Zentrum, und der "mercado" ist der grosse Markt im Bahnhofsquartier für Lebensmittel, Kleider, Taschen etc.

Die Markthalle von Temuco mit "Kunsthandwerk" ohne Kunst

In der Markthalle von Temuco im Stadtzentrum umfasst einen kompletten Häuserblock, in dem aber meistens nur Kunsthandwerk angeboten wird, das als Kunsthandwerk der Mapuche verkauft wird. Beim näheren Hinsehen kommt einem aber der Verdacht, dass das industrielle Ware ist, und zum Teil ist es überhaupt nicht Mapuche, sondern gewöhnlicher Schnickschnack. An einem Stand waren sogar Knöpfe mit Hakenkreuzen drauf zu kaufen, wogegen ich lautstark bei der Verkäuferin protestierte. Diese sagte, es gäbe Kunden für diesen Knopf, und Chile sei ein freies Land ("somos un país libre"). Ich sagte, sicher gebe es Kunden für das Hakenkreuz, aber es sei Ihre Verantwortung, dieses Hakenkreuz nicht zu verkaufen, denn dieses Hakenkreuz bedeute einen absoluten Rassismus, so dass nur die germanische Rasse existieren dürfe. Nun, die dumme Verkäuferin war ja auch eine Blondine, die scheinbar von Geschichte keine Ahnung hatte, und eine Kontrolle scheint auch nicht stattzufinden...

Es gibt kaum gute Restaurants in Temuco

Generell gibt es im Zentrum von Temuco kaum Restaurants. Es scheint, dass die Lebensmittel derart teuer sind, dass es sich kaum lohnt, ein Restaurant zu führen.

Restaurants zum draussen Sitzen gibt es in Temuco nicht. Die Restaurants in Temuco haben am Abend nur noch wenig Angebot. Die Restaurants, die es in Temuco gibt, haben eigentlich immer nur Schnell-Quark im Angebot, also Schnellgerichte im Stil von McDonalds. Oder dann waren es Gerichte mit Matsch-Reis. In Temuco wird der Reis traditionell matschig gekocht, wirklich eklig. Aber das soll auch in Argentinien so "Tradition" sein, wurde mir gesagt.

In Temuco ist es sogar so, dass viele Restaurants gar keine Speisekarte haben. Man muss reingehen und fragen, was gekocht wird. Die Chilenen und Mapuche wissen scheinbar von jedem Restaurant, was wer kocht. Touristenfreundlich ist das ja nicht gerade, vor allem, wenn die Leute nicht viel Spanisch können.

Das Ketchup hat zum Teil die scharfe Pfefferschote drin ("aji"), und das steht NICHT auf dem Fläschchen. Man sollte unbedingt zuerst abschmecken, ob das Ketchup auch dem eigenen Geschmack entspricht, sonst verdirbt man sich eventuell das ganze Essen und muss ein neues Essen bestellen, und das ist ja in Chile nicht ganz billig. Die Restaurants in Temuco sind sauteuer, und dann wollen die Angestellten auch noch ein Trinkgeld haben. Also, nun weiss man, wieso es kaum gute Restaurants gibt in Temuco. Die Restaurantbesitzer pokern mit den Preisen zu hoch.

Südlich von Santiago in Chillán und in Temuco war kein einziges chinesisches Restaurant anzutreffen ("chifa").

Hotels in Temuco

Die Hotels sind total auf Touristen ausgerichtet und teuer. Dabei fehlt aber in der "unteren Preisklasse" das Kabel-TV oder Satellitenfernsehen komplett. Die Gäste in den günstigen Hotels in Temuco müssen sich mit drei bis vier Fernsehsendern begnügen.

In einigen Hotels in Temuco sind die Betten sehr kurz geraten. Wer gross gewachsen ist, wird in einem 1,80m-Bett seine liebe Mühe haben. Ein Hotel hatte Zimmer, wo es nur Oberlichter gab, die man aber nicht öffnen konnte. Das Zimmer hatte dann zwar eine Ventilation, aber na ja.

Fussgängerzone in Temuco nicht vorhanden - auch Arkaden nicht - aber viel Regen

Temuco hat keine Fussgängerzone. Die Entwicklung der Stadt hinkt ca. 50 Jahre hinterher. Es ist auch kein eigentliches Zentrum bezeichnet. Ein zentraler Platz ("Plaza de Armas") fehlt in Temuco. Es fehlt die "entspannende Mitte" in der Stadt. Man müsste eigentlich sogar anschreiben, wo das Zentrum beginnt und wo es aufhört. Das Zentrum ist durch den Fluss und durch verschiedene Alleen klar begrenzt, aber schon drei Häuserblocks von den Hauptkreuzungen der Buslinien entfernt ist die Atmosphäre schon nicht mehr sehr "zentrumsnah".

Da in Temuco auch Arkaden als "Regenschutz" fehlen, und da das Klima eigentlich recht viel Regen hat, ist Temuco keine Stadt mit Gemütlichkeit. Irgendwie merken die Leute in Temuco gar nicht, wie man die Stadt gemütlicher gestalten könnte.

Viel Regen in Temuco - und überschwemmte Strassen

Da es viel regnet, aber die Strassen in Temuco nicht so "toll" gebaut sind, kommt es oft zu grossen Pfützen oder regelrechten Seen auf den Strassen. Also, an überschwemmte Strassenteile muss man sich in Temuco gewöhnen. Die Menschen nehmen es mit Humor oder gehen bei Regen einfach nicht auf die Strasse.

Kulturkampf in Temuco zwischen Mapuche und weiss-technischen Europäern

Die Atmosphäre in Temuco ist durch einen dauernden Kulturkampf zwischen Mapuche und den Europäern gekennzeichnet. Dieser Kulturkampf wird offiziell nicht ausgeglichen, sondern Spanisch dominiert das Strassenbild, manchmal auch Deutsch, wenn deutsche Namen bei Firmenschildern auftauchen. Mapuche ist nicht zu sehen. Die Strassenschilder sind alle in Spanisch angeschrieben, nichts ist in Mapuche.

Die Mapuche-Buchhandlung im Reiseführer, die es nicht gab

Im Reiseführer war für Temuco in der Nähe des Bahnhofs eine Mapuche-Buchhandlung angegeben ("Librería Mapuche"). Ich suchte diese Buchhandlung etwa eine ganze Stunde lang und fragte die Leute, aber diese Buchhandlung gab es nicht. Dafür gab es eine Mapuche-Apotheke...


Kleidung der Menschen in Temuco

Die Bevölkerung von Temuco ist zum Teil sehr arm und bescheiden und hat kaum gute Kleider.

Die Landmenschen in Chile haben z.T. Strohhüte auf, die "chebaya", wie mir die Leute sagten.



Region von Temuco: Chol-Chol

Chol-Chol ist eine reine Mapuche-Ortschaft mit einem Mapuche-Museum und noch mit vielen Rundhäusern. Die Mapuche haben eine eigene Schöpfungsgeschichte mit der Legende der Schlange "Kai Kai Filo".


Zweiter Aufenthalt im April 2011 ("Herbst")

[Erdbebenschäden von 2010: Manche Häuser sind nicht mehr da]

Also, als ich eine kleine Rundreise von Peru nach Argentinien und dann über Chile zurück machte, kam ich wieder in Temuco vorbei. Einige Häuser existierten nicht mehr, weil sie das Erdbeben von 2010 unbewohnbar gemacht hatte oder die Ruinen bereits abgeräumt waren. Und ein günstiges Hotel in einem alten Haus existierte auch nicht mehr. Das war wirklich sehr, sehr schade.

[Eisenbahnmuseum: Lokomotivenhalle ist für Besucher gesperrt - aber die Lokomotiven und Wagen stehen alle in der maroden Halle]

Das Eisenbahnmuseum war wegen Erdbebenschäden gesperrt. Da waren einige grosse Fenster nicht mehr da, und das Gemäuer wies grosse Risse auf. Da die Halle des Eisenbahnmuseums aber nationales Kulturgut ist, muss sie repariert werden. Das Personal sagte auch, im Jahre 2012 werde die Halle repariert. Nun war es aber so, dass die alten Lokomotiven und Eisenbahnwagen da immer noch in der Halle standen, und das kam mich schon sehr seltsam vor. Wenn die Halle für Besucher gespert wird, wieso werden die Loks und Wagen denn nicht woanders untergebracht? Sprich: Die Lokomotiven und Eisenbahnwagen des Eisenbahnmuseums in Temuco waren dauernd einer grossen Gefahr ausgesetzt von der maroden Halle unter sich begraben zu werden, und die Verwaltung des Museums und die Stadtverwaltung sahen diese grosse Gefahr scheinbar nicht.

[Bitter kaltes Klima in Temuco schon im Herbst - speziell dicke Socken]

Und dann kam eine einmalige und sehr wichtige Erfahrung: Das südliche Chile liegt ab April 2011 in einem Dauernebel. Sonne kommt kaum noch durch. Und das Klima ist dann bitter kalt, also wirklich bitter, denn man kann nirgendwohin gehen, um Sonne zu "tanken", und die Temperaturen waren im April 2011 am Morgen bei ca. minus 2 Grad, und stiegen am Tag auf maximal plus 5 Grad.

Auf dem Markt gab es dann speziell dicke Wintersocken zu kaufen, die es in anderen Ländern Süd-"Amerikas" gar nicht gibt.

Die Schlussfolgerung war klar: Das Klima im südlichen Chile ist absolut widerlich.

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